Kirchenvorstellung St. Johannes Baptista - Lautlingen

(von Heiko-Peter Melle)

Der Neubau der Lautlinger Pfarrkirche St. Johannes Baptista ist der vierte Bau an dieser Stelle, seit wir Kirchenbauten und katholische Christen in Lautlingen nachweisen können. Die Christianisierung im Eyachtal hatte schon früh begonnen, denn in einem der Alemannengräber die „Auf Berken“ beim Schulhausbau 1910 gefunden wurden, barg man auch ein Goldblattkreuz das heute öfter im Stuttgarter Landesmuseum ausgestellt wird. Bruchstücke eines romanischen Kirchenbaues die Pfarrer Pfeffer1 1911 fand, verraten, dass der erste Steinbau im 11./12. Jahrhundert errichtet wurde. In der Spätgotik um 1500- 1550 wurde diese Kirche ersetzt und hatte Bestand bis zum 30-jährigen Krieg. 1647 brannten schwedische Soldaten das Dorf und die Kirche nieder und bis 1670 mussten die Lautlinger in einer Art Notkirche in den Ruinen Gottesdienst feiern. Durch den damaligen Ortsherrn Wolfgang Friedrich Schenk von Stauffenberg wurde der Bau einer kleinen Kirche ohne Turm möglich. Erst 1725 erweiterten seine Söhne den Kirchenbau und ließen den heute noch erhaltenen Turm erbauen. Bei einem schweren Erdbeben am 16. November 1911 wurde die Barockkirche so schwer beschädigt, dass eine Rettung unmöglich war.

Pfarrer Albert Pfeffer, der sich schon Anfang 1911 Entwurfspläne für eine Kirchenerweiterung hatte machen lassen, war dann der Bauherr der ersten Eisenbetonkirche der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Mit Landeskonservator Friedrich Wilhelm Laur und Regierungsbaumeister Hugo Schlösser hatte er zwei kompetente Architekten an der Hand, deren Pläne kunstfertig von der Stuttgarter Baufirma Wayss & Freytag umgesetzt wurden. Alle Bauteile wurden in Eisenbeton ausgeführt, denn die Baufirma hatte erst 1885 die Patente des Franzosen Joseph Monier aufgekauft2 . Dass auch alle Schmuckelmente, selbst die große Plastik des Hl. Johannes des Täufers in der Westfassade, aus Eisenbeton sind, zeigt wie flexiel dieser Baustoff bei maximaler Wirtschaftlichkeit ist.

Das Äußere präsentiert sich als neobarockes Kirchenschiff, das dem erhaltenen Turm perfekt zur Seite gestellt wurde und das sich in die Alblandschaft sehr gut einfügt. Der festliche Hauptgiebel auf der Westseite mit seinen Voluten, dem schmuckvollen Hauptportal und dem Kirchenpatron im Segensgestus nimmt die weichen Formen der Landschaft perfekt auf. Die Aussenwände mit den insgesamt vier Ausgängen sind in sechs Joche gegliedert, die auch farblich betont sind.

Im Inneren der dreischiffigen Kirche merkt man schnell, dass dessen Ausrichtung darauf präzisiert wurde, dass jeder Kirchenbesucher einen möglichst guten Blick auf den großzügigen Altarraum haben sollte! Damit war eine feierliche Liturgie die auch entsprechend von den Gläubigen wahrgenommen wurde möglich. Die Akkustik des Raumes wird auch heute noch von Musikern und Sängern sehr geschätzt. Die gewölbte Kassettendecke mit den runden Aussparungen in den Seitenschiffen dient nicht nur der Ästhetik sondern durch materialsparende Bauweise auch der Wirtschaftlichkeit im Bau. Gleichzeitig ordnet sich aber der Raum in seinen neobarocken Formen auch der Ausstattung unter, die der kunstsinnige Pfarrer Albert Pfeffer zum einen der alten Kirche entnahm und zum zweiten aus eigenen Mitteln im Kunsthandel erwarb und der Gemeinde stiftete. Eine großherzige Maßnahme die den Erhalt kirchlicher Kunstwerke in einem neuen sakralen Raum ermöglichte.

Da Geld zur Zeit des Kirchenbaues ein rares Gut war, wurde Pfarrer Pfeffer kreativ. die Architektur der Seitenaltäre wurde von Kirchenmaler und Restaurator Anton Baur3 aufgemalt, dies aber künstlerisch wertvoll. Ebenso gestaltete Baur den Chorbogen und das Gewölbe des Chores sehr aufwändig. Leider wurden die letzteren Malereien wenig geschätzt und bei der ersten Renovierung 1957 komplett übermalt.

Der Lautlinger Hochaltar zeigt ausdrucksstark und aus tiefem Glauben die Erlösung des Menschen und der ganzen Schöpfung durch den Dreifaltigen Gott. Ganz oben Gott Vater4 , der Allmächtige und der Schöpfer. Darunter, herabgestiegen vom Himmel bringt der Sohn Jesus Christus im Heiligen Geist das Erlösungsopfer am Kreuz5 dar, das in jeder Heiligen Messe auf dem Altartisch unter der Kreuzesdarstellung durch den Priester vergegenwärtigt wird. Im Tabernakel6 bleibt Christus mit seinem am Kreuz geopferten und verherrlichten Leib das Lebendige Brot vom Himmel und als Speise zum Ewigen Leben gegenwärtig. Den Gott Vater anbetenden Engel im Auszug entsprechen im mittleren Altarbereich Maria und Johannes in ehrfürchtiger, hingabevoller Haltung zum Sohn Gottes am Kreuz, sowie die das Allerheiligste Altarsakrament anbetenden Engel, die dem Tabernakel zugeordnet sind. Somit wird der Heiligen Dreifaltigkeit mit dem Altarsakrament von allen Seiten und aus allen Richtungen die Anbetung zuteil, die in der Feier der Liturgie durch die Gläubigen wie beim stillen Besuch in der Kirche dargebracht wird.

Die Kanzel der Pfarrkirche schuf der Schömberger Künstler Johann Geiger zwischen 1720/30, weitere Schnitzereien folgten 1770 von Josef Geiger, ebenfalls aus Schömberg. Sie stand bereits in der Barockkirche und wurde übernommen. Am Korb die Figuren der vier Evangelisten, der hl. Dominikus mit Kind und der guten Hirte. Auf dem Schalldeckel Christus als Salvator im Segensgestus umgeben von fünf Puttis7 mit den Leidenswerkzeugen. Damit hatte der damlaige Pfarrer von Lautlingen, Daniel Scheurer, stammte gebürtig aus Dotternhausen und hatte damit nicht weit in die bildhauerische Hochburg des Dekanates Schömberg, dessen Kämmerer8 er gleichzeitig war.

Die Altarbilder der Seitenaltäre sind ebenfalls Besonderheiten: Auf der linken, der sog. Evangelienseite, befindet sich das Bild des mit dem Teufel kämpfenden Erzengel Michael. Der Künstler ist zwar unbekannt, Stifter des Bildes jedoch war der später von den Nationalsozialisten verfolgte Bischof Johannes Baptista Sproll9.

Auf der sog. Epistelseite findet sich das Altarbild der Heiligen Familie des Künstlers August Blepp10, zu dessen Hauptwerken man das Bild durchaus zählen darf. Die Kmpsition der Personen zeigt wie der Vater sich schützend hinter Sohn und Mutter stellt, die kräftigen Farben passen sehr gut zur Scheinarchitektur des Seitenaltares. Der Sohn blickt in inniger Verbundenheit zur Mutter. Zusätzlich stehen auf der Evangelienseite die geschitzten Figuren der Hll. Bischöfe Ulrich von Augsburg und Augustinus von Hippo11, die ebenso wie die Eltern Mariens, Hl. Joachim und Hl. Anna12, auf der Epistelseite von Pfarrer Pfeffer angekauft und gestiftet wurden. Alle diese Figuren, einschließlich des Schutzengels aus der ehemaligen Ulmer Wengen-Kirche und die Südtiroler Madonna (neuzeitliche Stiftung) zeigen eine hohe Kunst der ausführenden Schnitzer und passen sich hervorragend in die Kirche ein.

In der Bauzeit und danach sorgte der Pfarrer zusammen mit Stiftern dafür dass dieses Gotteshaus hochwertig ausgestattet wurde. Das zeigen zum Beispiel auch die beiden farbigen Chorfenster aus der Werkstatt des Stuttgarter Glasmalers Valentin Saile13. Weiterhin übernommen wurden aus der alten Kirche die wertvolle um 1630 entstandene Pieta in der Taufkapelle aus der Hechinger Werkstatt der Bildhauer Taubenschmid und auch der 1782 unter Pfarrer Fidelis Lenz angeschaffte Kreuzweg den Pfarrer Pfeffer dem Hechinger Barockmaler Franz Ferdinand Dent14 zuschrieb.

Ein Besuch der Lautlinger Pfarrkirche lohnt definitiv sowohl für den christlichen Beter als auch für den Betrachter der historische Bildwerke sehen möchte. Das historische Bildarchiv ist reich gefüllt mit alten Fotos aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts aber auch aus der aktuellen Zeit.

Ein kleiner Blick sei hier gewährt:

  1. Albert Pfeffer * 15.12.1873 Oberndorf a.N. - † 13.01.1937 Lautlingen. 1899 Priesterweihe, 1899 - 1903 Vikar in Friedrichshafen, 1903-1910 Stadtpfarrer Balingen, ab 1910 Pfarrer in Lautlingen. Vorsitzender des Diözesan Kunstvereins 1926 - 1937.
  2. Erfinder des eisenbewehrten Betons, der zunächst nur im Pflanzkübelbau verwendet wurde. Eisen zur Bewehrung von Stahlbetonkonstruktionen nennt man heute noch „Moniereisen“
  3. Anton Baur * 18.09.1880 Mettenberg - † 25.03.1968 München
  4. Holz geschnitzt, zugeschrieben Johann Joseph Christian * 12.02.1706 Riedlingen – † 22.06.1777 Riedlingen. Die Plastik stammt urspr. aus der Saulgauer Frauenkapelle, aufgekauft von Pfr. Pfeffer 1912 im Kunsthandel.
  5. Lindenholz mit Korpus, Entstehung Ende des 17. Jahrhunderts. Korpus 148 cm hoch und von guter Qualität. Das ausdrucksstarke Werk ist althergebracht in Lautlingen und hing schon in der 1654 notdürftig hergerichteten Kirche, damals im Chorbogen. Die Assistenzfiguren Maria (129 cm hoch) und Johannes (134 cm hoch) sind Neuschöpfungen von Bildhauer Franz Marmon aus Sigmaringen. 
  6. Tabernakel: Hersteller Ostertag-Werke, Vereinigte Geldschrankfabriken AG in Aalen, Tabernakeltüren: Goldschmied Josef Hugger, Rottweil
  7. Urspr. bestand sechs Puttis. Eine Figur stürzte in den 1980er Jahren kurz vor dem Sonntagsgottesdienst herab und wurde zerstört.
  8. Finanzverwalter des Dekanates Schömberg zu dem Lautlingen damals zusammen mit Burgfelden, Dürrwangen, Ebingen, ehestetten, Endingen, Frommern, Margrethausen, Meßstetten, (Ober-) Digisheim, Onstmettingen, Tailfingen, Tieringen und Truchtelfingen gehörte.
  9. Bischof Johannes Baptista Sproll * 02.10.1870 Schweinhausen - † 04-03-1949 Rottenburg. 1927 Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, 1938 - 1945 Verbannung aus der Diözese durch die Nationalsozialisten. 2013 Eröffnung des Seligsprechungverfahrens.
  10. August Blepp * 09.01.1885 Weilen u.d.R. - †15.08.1949 Weilen u.d.R.
  11. Beide früher in der Haigerlocher Oberstadtkirche St. Ulrich nahe beim Römerturm die 1837-39 abgebrochen wurde.
  12. Beide aus der Kirche in Hausen a.T.
  13. Adolf Valentin Saile * 10.10.1905 Stuttgart - † 01.09.1994 Stuttgart
  14. Franz Ferdinand Dent * 11.08.1723 Kirchen-Hausen - † 12.11.1791 Hechingen