Eine virtuelle Kirchenführung

(von Pfarrer Jörg Sauter)

Bilder erzählen Geschichte(n), eingefangen und festgehalten vom Objektiv des Fotografen. Ein Blick ins Fotoalbum der Ebinger Josefskirche gewährt Einblicke in gut 130 Jahre gefeierten Glaubens und Kunstschaffens, wie er im Kirchengebäude selbst und seiner Ausstattung Ausdruck gefunden hat.

Unser erstes Foto erlaubt einen Blick auf den Marienaltar von St. Josef, wie ihn der Fotograf kurz nach der Kirchweihe im Sommer 1892 für das Archiv des Architekten Joseph Cades (1855-1943) eingefangen hat. Joseph Cades war in der Blütezeit seines Schaffens einer der produktivsten Architekten Württembergs. Allein in unserer Diözese hat er 39 Kirchen errichtet. Sein Plan für einen neuen Dom in Rottenburg wurde schließlich beim Bau der Marienkirche in Landau/Pfalz verwirklicht.

Bereits 1912 musste die ursprünglich nur etwa 300 Sitzplätze zählende Kirche stark erweitert werden, da die Katholikenzahl durch den Zuzug vieler Arbeitskräfte in die aufblühende Industriestadt Ebingen zu Beginn des 20. Jahrhunderts stark angestiegen war. Unser Bild zeigt die beiden bei der Erweiterung angefügten Seitenkapellen und den Chorraum mit ihrer ursprünglichen Altarausstattung und der Ausmalung durch den in Straßberg geborenen Kunstmaler Hermann Anton Bantle (1872-1930), der 1926/1927 den ganzen Kirchenraum ausgemalt hat. Von seinen Zeitgenossen als „Prediger im Malerkittel“ und „letzter Freskenmaler“ gerühmt, wurden seine Werke in den folgenden Jahrzehnten wenig wertgeschätzt.

Auch in St. Josef wurden bei der großen Kirchenrenovation 1952 seine Fresken übertüncht, wie unser nächstes Foto zeigt.

Ein Blick von der Empore auf die zur Glockenweihe 1953 vor dem neugestalteten Altarraum aufgehängten vier neuen Bronzeglocken. Sie ersetzten das Geläute aus dem Jahr 1924, das 1942 beschlagnahmt und zu Rüstungszwecken eingeschmolzen worden war. Nur die kleinste Glocke, dem Hl. Antonius von Padua geweiht, hatte den Zweiten Weltkrieg überstanden und ruft bis heute gemeinsam mit der Christusglocke, der Marien-, der Josefs- und der Michaelsglocke zu Gottesdienst und Gebet.

Wir blicken nochmals von der Empore auf den Altarraum, wie er sich zum Ende der Siebzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts gezeigt hat. Über dem Hochaltar mit Tabernakel, Altarkreuz und Leuchtern des Gmünder Goldschmieds Emil EduardForster (von ihm stammt auch die große Monstranz der Josefskirche und der zwischenzeitlich entfernte Sakramentsaltar im Rottenburger Dom), sind die Chorfenster von Wilhelm Geyer (1900-1968) in ihrer ursprünglichen Gestalt zu erkennen. Von den Nationalsozialisten als Vertreter der „entarteten Kunst“ gebrandmarkt und verfemt, gehören er und seine Arbeiten heute zu den wichtigsten Schöpfungen religiöser Kunst in Deutschland im 20. Jahrhundert, ganz besonders bekannt ist er für seine Bleiglasfenster, die nicht nur in Ebingen und Margrethausen, sondern auch in den Domen von Köln, Aachen, München oder Rottenburg, genauso wie im Ulmer Münster betrachtet werden können.

Sein Sohn Hermann Geyer hat die Fenster 1982 in der Bildsprache seines Vaters vollendet. Die Fenster zeigen Adam als den Beginn, Christus als Haupt der Neuen Schöpfung und den Apostel Paulus, als Verkünder Christi in der Welt, umgeben von Heiligen und biblischen Szenen aus dem Alten und Neuen Testament.

Der Fotograf zeigt uns hier die versammelte Gemeinde beim Pontifikalamt zum Abschluss der großen Kirchenrenovation am Dritten Adventssonntag 1983, bei dem der damalige Rottenburger Bischof Georg Moser (1923-1988) den neuen Altar geweiht hat. Der Kirchenraum zeigt sich seit der Renovation von 1982/83 so, wie wir ihm auch heute noch täglich betrachten können: Mit den restaurierten Fresken am Chorbogen, die Christus als Pantokrator, Maria, Josef, anbetende Engel und die Heilige Familie bei der Arbeit und beim Gebet vorstellen, den neugotischen Altären und ihren Altarbildern des Münchner Künstlers Gebhard Fugel (1863-1939), die am Hochaltar die Anbetung des Jesuskindes durch die drei Weisen und die Darstellung Jesu im Tempel und an den Seitenaltären Heiligendarstellungen, u.a. die Hl. Elisabeth von Thüringen, die Hl. Cäcilia oder die Heiligen Konrad von Konstanz und den „Apostel der Deutschen“ Bonifatius zeigen.

Unser Foto zeigt den Zelebrationsaltar von Ulrich Henn (1925-2014) aus dem Jahr 1983. Das Geheimnis der Erlösung durch Christi Tod und Auferstehung, das am Altar gefeiert wird, hat der Künstler in eindringlicher Weise in Bronze gegossen: Die Stationen der Heilsgeschichte, von der Verkündigung bis zum leeren Grab am Ostermorgen, eingebettet in ein Rankenwerk aus Silberdisteln, die wegen ihrer großen Widerstands- und Leidensfähigkeit auch als Symbol für Christi Tod und Auferstehung gelten. Der Künstler versteckt darin auch die Botschaft: Die Silberdistel -eines der Markenzeichen unserer schwäbischen Albheimat und Wappen der Stadt Albstadt- lädt uns ein: Auch uns, unserer Stadt, gilt die Zusage, dass Gott bei uns wohnt, er mit uns unterwegs ist und wir ihm besonders nahekommen, wenn wir miteinander in unseren Kirchen Eucharistie feiern.

Ulrich Henn war darüber hinaus ein überaus gefragter Gestalter von Kunst im kirchlichen und öffentlichen Raum, wie seine Arbeiten nicht nur in St. Josef, der Ebinger Thomaskirche, im Dom zu Trier, in der Basilika Rankweil / Vorarlberg oder der National Cathedral in Washington, D.C. beweisen.

St. Josef ist aber zuerst und vor allem Ort des Gottesdienstes und des Gebets. Ein letzter Blick ins Fotoalbum gibt Einblick und schafft Erinnerung an festliche Ereignisse:

Bildquelle: Pfarrarchiv St. Josef
Texte: Pfarrer Jörg Sauter (2021)