Kirchenvorstellung St. Gallus

(von Heiko-Peter Melle)

„...damit die Kirche noch lange im Dorf bleibt...“

Damit die katholische Kirche auch in Laufen repräsentiert wird, damit die Laufener Gemeindemitglieder dort Gottesdienst feiern können, dafür haben sich ab 1969 viele Menschen persönlich sowohl finanziell als auch durch ihre tatkräftige Mitarbeit eingesetzt.

Christentum bis zur Reformation

Laufen an der Eyach wird wie 24 weitere Orte unserer näheren Umgegend erstmals in einer Urkunde des Klosters St. Gallen von 793 n.Chr. erwähnt. Urchristliche Funde bei Grabungen sind nicht bekannt, obwohl auch in Laufen verschiedene Funde gemacht wurden. Man geht heute davon aus, dass Laufen die Mühlensiedlung zu Burgfelden war, die erst später zu einem bäuerlich geprägten Dorf wurde. Die alte Kirche, die ebenfalls dem Hl. Gallus geweiht war, ist uns nach heutigem Stand im Bild nicht überliefert. Ihr Standort ist uns bekannt, die Urvermessung des Königreiches Württemberg hilft uns weiter. Beschrieben wird uns diese Galluskirche im 19. Jahrhundert als alt, dunkel und baufällig, in einem gewöhnlichen Stil erbaut ohne Sakramentshaus, dafür mit einem Gitterverschlag unter der Kanzel1. Die Kapelle wird erstmals 1491 als Filialkirche von Burgfelden erwähnt2 und hatte wohl schon von Beginn als Patron den Hl. Gallus. 1522 errichtete man kurzzeitig eine eigene Pfarrei mit Pfarrer Jacobus Hafner. Da sich kurz darauf auch auf der Alb die Reformation verbreitete, schlossen sich die Laufener mit ihrem Landesherrn, den Herzögen von Württemberg, diesem neuen Glauben an. Damit wurde Laufen allerdings erneut Filiale, dieses Mal von Dürrwangen, bis 1897 die selbstständige evangelische Pfarrei Laufen an der Eyach gegründet wurde. Die mehrfach umgebaute Kapelle riss man nach unendlichen Querelen ab und erbaute an deren Stelle 1873 bis 1875 die neugotische evangelische Kirche nach Plänen von Bauinspektor Vinzenz de Pay.3

Nach der Reformation

Katholische Einwohner von Laufen wurden seit der Reformation von Lautlingen betreut, hier mussten sie auch zum Gottesdienst gehen. Erst nach dem II. Weltkrieg kann man von einem nennenswerten Zuzug von Katholiken in Laufen sprechen. Hauptsächlich Angehörige der Volksgruppen aus Schlesien, Ost- und Westpreussen, Tschechoslowakei und Jugoslawien fanden hier eine neue Heimat nach Krieg, Not und Vertreibung. Die Zahl der katholischen Einwohner stieg von 35 im Jahr 1939 auf nunmehr 430 im Jahre 1970. Sie feierten ihre hl. Messe in der sog. „Kindergartenbaracke“. 18 Jahre lang wurde dort im 14-tägigen Rhythmus hl. Messe gefeiert und Religionsunterricht gehalten. In den Jahren des Aufbaues wurde der Wunsch nach einer eigenen Kirche schließlich so stark, dass 1969 unter der Ägide des Lautlinger Pfarrers Alois Stoll mit dem
Bau der Filialkirche in der Scheibenbühlstraße begonnen wurde. Am 24. Mai 1970 konnte Prälat Karl Singer aus Rottenburg mit Pfarrer Stoll die Kirchweihe der Sankt-Gallus-Kirche vollziehen. Damit schloss sich der Kreis, der 1534 gewaltsam auseinandergerissen worden war4.

Filialkirche St. Gallus

Es handelt sich bei der Filialkirche St. Gallus um einen Beton-Fertigteilbau, also aus in einem großen Betonwerk vorgefertigten Bauteilen die vor Ort zusammengesetzt werden. Ab 1963 entstanden in der Diözese Rottenburg-Stuttgart 100 Kirchen dieser Art, die sich meist in Wohngebieten befinden und in ihrer bescheidenen Bauweise kaum aus dem Siedlungsbild herausstechen.5 Die sog. „Typenkirchen“6 wurden als Baukastenkonzept verwirklicht, dem sechs Grundsätze zugrunde lagen:

  1. Formal und künstlerisch vertretbar;
  2. Technisch und bauphysikalisch einwandfrei;
  3. Die Haltbarkeit ist anderen Kirchen ähnlich, es sollte kein Provisorien geschaffen werden;
  4. Viele Varianten für die Kirchengemeinden;
  5. Schnelle Fertigung der Bauteile;
  6. Verminderung der Baukosten.

Als ausführender Architekt wurde Gerold Reutter vom Architekturbüro Reutter aus Wernau/Neckar gewonnen. Er war Mitglied der Architektengruppe Frank/Nagler/Reutter und sein „kleinerer Typ“ wurde 17-mal
verwirklicht.

Der Innenraum wird geprägt durch die dominanten Stahlbetonbinder und der Holzdecke. Das lichte Kirchenschiff fasst 154 Sitzplätze in zwei Bankgruppen mit einem Mittel- und jeweils einem Seitengang. Es ist bemerkenswert, dass gerade die Türen des Hauptportales in sehr kunstvoller Art gestaltet wurden. Das tiefgezogene Satteldach ist mit Schiefer gedeckt und wurde erst vor Kurzem instandgesetzt. Die Bauweise in Fertigbau wurde auch von der Diözese Rottenburg präferiert, da so eine Kostenersparnis von bis zu 30% realisiert werden konnte. Für den Innenraum ließ man damit noch einen genügenden Freiraum zur Gestaltung offen. Im Dachbereich wurde eine sichtbare Holzverschalung angebracht, der Rest der Fertigteile als Sichtbeton integriert. Wichtig war auch, dass in den Bau viel Eigenleistung integriert werden konnte. Geraden die sog. Heimatvertriebenen hatte ein großes handwerkliches Können und ihren großen Fleiß, den sie gerne für den Kirchenbau investierten. Es wurde bei den Typenkirchen durchaus Wert darauf gelegt, dass keine Uniformität entsteht und man die Gleichheit der Gebäude schon von Weitem erkennt. Hier gab es immer noch genügend Spielräume für die beteiligte Gemeinde. In Laufen entschied man sich innen dann auch für eine Empore über dem Haupteingang. Hier konnte dann eine entsprechende Orgel aufgebaut werden, es findet sich Platz für den elektronischen Liedanzeiger und selbstverständlich haben hier auch die Kirchensinger aus Lautlingen ihren Platz bei feierlichen Gottesdiensten mit Gesang. An Nebenräumen bietet die Kirche in der Sakristei und im Untergeschoss noch Platz.

Glasfenster

Die Bleiglasfenster wurden von Maina Leonhardt aus Stuttgart ausgeführt. Die Bildhauerin hat sich auf vielen Gebieten der Gestaltung profiliert. Buchillustrationen, Betongestaltung und Fenster sind dabei die gängigsten Dinge. Die Fenster der St. Gallus-Kirche Laufen stellen dabei eine farbig abstrakte Komposition dar und sollen eine lebendige Gemeinde symbolisieren. Zugleich aber sieht auch Architekt Gerold Reutter hier ein „Dreifaltigkeitsfenster“. Der von Christus und Gott ausgesandte Heilige Geist kommt sinnbildlich über den Menschen. Die Künstlerin selbst schreibt: „Bei der Farbauswahl bin ich vom Farbklang: „Rot und Blau“ ausgegangen, nachdem ich gesehen hatte, dass eine Gestaltung, die ausschließlich auf Blau aufbaut, der Kirche einen zu kühlen Charakter geben würde. Gelb erschien mir, da viel Holz angewendet wird, ungünstig. So variierte ich immer wieder neu mit Rot, das im linken Seitenfenster am Altar die ganze Fläche beherrscht und dadurch dem Altarraum einen festlichen Klang gibt. Ebenso ist es der Ausgangspunkt bei der Gestaltung des Giebelfensters auf der Empore – jedes Mal soll es ein Ausdruck sein für die Strahlkraft des Heiligen Geistes, der in der Kirche und in der Gemeinde der Lebensspender ist, ohne den nichts bestehen kann. In der Art der Bleiführung und der Aufteilung der Glasfenster habe ich das Strömende und Lebendige, das wesensmäßig zum Heiligen Geist gehört, ebenso dargestellt wie in der Farbigkeit. Der Glanz ist bewusst sehr locker gestaltet, ist aber in sich doch auch straff zusammengefasst, so dass nicht der Eindruck einer willkürlichen Gestaltung entstehen kann, sondern einer zuchtvollen Ordnung. Durch die Flächenaufteilung in kleine und große Glasstücke wird ein plakathaft wirkender Eindruck vermieden, wie er entstehen würde, wenn nur große Glasfelder verwendet würden“.

Tabernakel-Stele mit Kreuz und Ewig-Licht-Leuchter

Der Schorndorfer Künstler Alfred Seidel (* 1913 in Breslau - 2003 in Schorndorf) gestaltete den wichtigen Bereich des Tabernakels. Die Stele mit ihren abstrakten Formelementen wurde in Bronzeguss ausgeführt. Dem Künstler war es hier wichtig, die Symbolik des Ecksteins, der Christus symbolisiert und der Bausteine, den Menschen, einzubringen. Auch das dazugehörige Kreuz ist aus Bronzeguss. Seine gitterartige Beschaffenheit soll die Gefangenheit Jesu versinnbildlichen.

Kreuzweg

Vor 1993 waren die Seitenwände der Filialkirche schmucklos. Erst mit seinem Abschied konnte Pfarrer Alois Stoll den langgehegten Wunsch nach einer Kreuzwegdarstellung verwirklichen. Alle Abschiedsgeschenke wurden diesem Zweck zugeführt. Der Kirchengemeinderat unter Leitung des nachfolgenden Pfarrer Johannes Linner beauftragte den Künstler Hubert Rieber.7 „Der Künstler Hubert Rieber, Meisterschüler des Prof. Wilhelm Loth an der Kunstakademie Karlsruhe, hat sich intensiv mit der Thematik des Kreuzes und des Kreuzwegs befasst. Er gelangt in seinem Werk zu einer Trans-anthropologischen Betrachtung, welche den tiefen Dimensionen der Wirklichkeit einen Bezug zum Kreuze Christi gibt. Mit der Hochreliefreihe, aufgeteilt in fünfzehn fast quadratische Tafeln, die als tragendes Gerüst das Formgeschehen umgreifen, baut er seine Kreuzwegstationen auf. Die Tafelfläche aus hellem Lindenholz ist in zwei Teile aufgeteilt: in einen glatten Hintergrund mit einer flachen Kreuzprofilierung als Zeichen Christi und einen figürlichen Teil. Die gleichen Höhen des Reliefs, die gleichen Neigungen der Formen, das gleiche Lichtspiel der Oberfläche ziehen den Betrachter in einen engen Rhythmus, der die Ernsthaftigkeit des Themas unterstützt. Der Kopf Christi oder seine Halbfigur, in der Form vereinfacht, mit polierter Oberfläche, teilweise glänzend, strahlt Ruhe und Stille und Hingabe aus. Das gehaltene Spiel der zartgliedrigen Hände führt zur Konversation mit dem Werk.“8 Bei der Renovation im Jahr 2013 wurden unterhalb der Stationen Meditationstexte angebracht. Beim Mitgehen oder beim Meditieren wird der Betrachter so die Leiden der Gegenwart unter der Perspektive der Hoffnung auf Auferstehung in neuem Licht sehen.

Patronatsfahne

Zur Vervollständigung der liturgischen Ausstattung und zum Abschluss der Kirchenrenovation wünschte sich die Kirchengemeinde in Laufen a.d.E. eine Patronatsfahne. Inspiriren ließ sich die Gemeinde durch das Altarbild der Gemeinde Fischenthal in der Schweiz. Die qualitätsvolle Ausführung erfolgte bei der Firma Fahnen-Burger im oberschwäbischen Munderkingen, die seit 1827 Fahnen und Paramente herstellt.
Das Fahnenbild zeigt in der Mitte den hl. Gallus, Kirchenpatron der Laufener Filialkirche, im violetten Ornat. Die farbliche Gestaltung deutet hier auf die Farbe des Pilgers hin. In der Hand hält Gallus den Pilgerstab, ganz im Sinne des Bibelwortes „der Herr ist mein Hirte...“. Neben Gallus finden wir den Bären mit eine Stück Holz in den Pranken. Das ist ein Hinweis auf die Gallus-Legende nach der dem Heiligen sogar die Tiere des Waldes gehorchten. Der Hahn im Bild verweist auf Frankreich, wo Gallus lange Zeit im Kloster Luxeuil verweilte. Im linken, oberen Rand schließlich ist die Zelle des Heiligen in der Steinachschlucht dargestellt. Hier lebte er als Eremit und schlug später auch die ihm angetragene Bischofswürde von Konstanz aus. Gallus verstarb am 16. Oktober 640 nachdem er zuvor noch in Arbon gepredigt hatte.

  1. HARTMANN, H. (1862). Die evangelischen Kirchenstellen Württembergs. Ein statisches Handbuch, etc. Deutschland: (n.p.).Seite 263 ff.
  2. Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 602 Nr 6827 = WR 6827
  3. Vinzenz de Pay * 1813 in Riedlingen - † nach 1887
  4. Ortschronik Laufen
  5. Denkmalpflege in Baden-Württemberg, 2/2013 42. Jahrgang, Seite 42 ff. Ulrike Plate und mündl. Architekt Gerold Reutter 2013
  6. Kirchenbau im Wandel Gottlieb Merkle 1973
  7. Hubert Rieber * 1945
  8. Zitat: Marta Loncarevic, Kunsterzieherin im Ursulinenstift Freiburg i.Br. 2. Mai 1993